"Alles ganz natürlich"
"Natur pur"
"100% Natur"
"Ganz ohne Chemie. Rein natürlich!"
Na, fühlt Ihr Euch auch angesprochen? Mit Sicherheit, denn dieser Trend mit "Zurück zur Natur!" ist im Moment eines der Verkaufsargumente schlechthin.
Wie oft hören wir in der Praxis: "Aber ich will nichts mit Chemie!"
Wir alle wollen nur das Beste für unsere Liebsten, egal ob es die Kinder, der Partner, die Freunde, das Haustier oder eben wir selbst sind. So triggert der Begriff "Natur" unseren Wunsch nach Gesundheit, Wohlfühlen und einem langen Leben.
Noch vor ein paar Jahrhundertjahren war die Natur der erbitterte Gegner und wurde soweit es geht vermieden.
Wir leben in beheizten Häusern mit fließendem Wasser und sind geschützt vor der Natur. Wir sterben nicht mehr mit 30 oder 40 Jahren und sind bis ins Alter hinein gut versorgt. Wir müssen nicht mehr 10 Kinder bekommen, damit wenigstens 2 davon überleben und erwachsen werden. Wir sind in der Lage die Natur zu überlisten und Nahrung anzubauen trotz Stürmen, Schädlingen und anderen Naturkatastrophen, die früher zu Hungersnöten und Massensterben geführt haben.
Die Natur ist nicht immer nett und schon gar nicht immer harmlos. Im Gegenteil, die Natur kann gefährlich und sogar tödlich sein.
Ein paar der tödlichsten Gifte sind rein natürlichen Ursprungs und keiner von uns käme auf die Idee einen Fliegenpilz zu essen oder mit einer Giftschlange zu kuscheln.
Der "Zurück zur Natur"-Trend klappt nur, weil wir heute unter Natur etwas ganz anderes verstehen und uns auch etwas ganz anderes vorstellen. Natur soll etwas sanftes, gut verträgliches ohne Nebenwirkungen sein.
Alles was eine Wirkung hat oder zeigt, hat auch eine Nebenwirkung und sei sie noch so gering oder nicht zu merken.
Viele der Medikamente, die wir heute erfolgreich nutzen, sind aus pflanzlichen Inhaltsstoffen entstanden.
Zum Beispiel sind Herzpräparate auf der Basis von Digitalis aus der Pflanze Fingerhut entstanden. Oder das uns allen bekannte Aspirin ist ein Extrakt der Weidenrinde (Salicylsäure). Diese Wirkstoffe sind seit langen Jahren verfeinert und getestet worden,Nebenwirkungen sind bekannt und minimiert, Dosierungen genauestens festgelegt worden, um einen möglichst sicheren und ungefährlichen Einsatz zu gewährleisten.
Alle in Deutschland zugelassenen Medikamente durchlaufen viele strenge Tests und Zulassungsverfahren, um überhaupt in den Handel kommen zu dürfen.
Und jetzt kommen die "Zurück zur Natur"-Fans....
"Ich behandle meinen Hund nur mit Schwarzkümmelöl oder Teebaumöl gegen Zecken.
Ach ein bisschen mehr kann ja nicht schaden, ist ja rein natürlich..."
Kann es leider doch. Ätherische Öle und auch Schwarzkümmelöl enthalten zum Beispiel Terpene, die leberschädigend sind. Wieviel davon was genau im Körper auslöst ist nicht erforscht. Es gibt einfach keine Studien oder Untersuchungen.
Klar kann es helfen, aber es kann auch schaden und dann ist die Not groß.
Gerade bei den Zeckenpräparaten sehen wir eine große Vielfalt an natürlichen Mittelchen:
Kokosöl, Schwarzkümmel, Bernstein, Keramikketten, verschiedenste Globuli und vieles mehr.
Kann helfen, muss aber nicht.
Viel schlimmer sind wie immer die Folgen.
Zecken übertragen verschiedenste Erreger, allen voran Anaplasmen, Babesien und Borrelien.
Nehmen wir also an Eurer Tier wird wegen eines ungenügenden Schutzes durch ein "natürliches Präparat", mit einem dieser Erreger infiziert, dann braucht Ihr die Chemie...
Und nicht nur ein bisschen davon: 6-8 Wochen starke Antibiotika und bei Schmerzen auch noch Entzündungshemmer zusätzlich.
Was ist denn nun besser? Lotto spielen und darauf hoffen, dass Euer Tier nicht angesteckt wird, oder doch auf die "böse Chemie" zurückkommen?
Schwierige Frage? Nein, gar nicht.
Geht zum Tierarzt Eures Vertrauens und besprecht mit ihm Eure Bedenken und Sorgen.
Wählt mit dem Tierarzt zusammen das passende Mittel aus, je nachdem wieviel und wie stark Euer Hund von Zecken betroffen ist.
Und hier geht es nicht nur um Zecken. Auch alle anderen "Mittelchen" egal wie 100% natürlich sie sein mögen und in wievielen SocialMedia-Foren sie über den grünen Klee gelobt werden, sollten nicht einfach so ausprobiert werden.
Dafür sind wir da, um mit der fachlichen Kompetenz eines langen Studiums und mit der Berufserfahrung in der Tierarztpraxis, abschätzen zu können, was Eurem Tier hilft und was nicht.
Eure Tierärzte